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e:3.15 Allgemeine Geschäftsbedingungen - effizient, aber risikoträchtig

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind weit verbreitet. Sie gelten im Wirtschaftsleben als (fast) vollwertiger Vertrag, wenn sie korrekt vereinbart werden. Was im Massengeschäft zu einer effizienten Gestaltung vertraglicher Bindungen dient, kann aber auch zu grossen Problemen führen.

DER FALL

Akt 1: Handelsgericht I

Eine deutsche Unternehmung verpflichtete sich, Regalanlagen für eine Bestellerin in Österreich zu liefern. Sie schlossen dazu zwei vom Anlagebauer verfasste Werkverträge ab. Im Laufe des Projekts stritten sich die Parteien um eine Zahlung von rund 700'000 Euro. Der Anlagebauer klagte diesen Betrag im Juni 2012 beim Handelsgericht Zürich ein. Er stütze sich dabei auf seine «Verkaufs-, Liefer- und Zahlungsbedingungen», welche für alle Streitigkeiten den Gerichtsstand Zürich vorsahen. Im Werkvertragsdokument stand, dass diese Bedingungen unter einer Faxnummer angefordert werden können.

Die Bestellerin ging gar nicht auf die Forderung ein, sondern stellte sich auf den Standpunkt, das Handelsgericht sei nicht zuständig, weil diese Bedingungen nicht Vertragsbestandteil seien. Das Handelsgericht sah das anders und wies in einem Zwischenentscheid die Unzuständigkeitseinrede ab.

Akt 2: Bundesgericht I

Die Bestellerin gab nicht auf und focht diesen Entscheid vor Bundesgericht an. Das Bundesgericht entschied, die Angabe einer Faxnummer reiche tatsächlich nicht aus, um AGB in einen Vertrag aufzunehmen (Entscheid BGE 139 III 345). Das Bundesgericht warf dem Anlagebauer jedoch einen Rettungsanker zu: Bei einer Bestellungsänderung wies die Unternehmerin nämlich darauf hin, dass «ihre Bedingungen im Internet heruntergeladen werden können». Nach Ansicht des Bundesgerichts genügt ein solcher Hinweis für den Einbezug von AGB, wenn die Parteien per E-Mail miteinander verkehren. Es wies daher die Sache wieder an das Handelsgericht zurück.

Akt 3: Handelsgericht II

Die «Bedingungen» auf der Website des Anlagebauers waren aber nicht die gleichen, wie diejenigen, auf welche sich der Werkvertrag bezog. Ein Gerichtsstand Zürich war darin nicht zu finden. Die Anwälte des Anlagebauers versuchten, die Sache zu retten, indem Sie sich auf den Erfüllungsort Zürich bezogen, welcher in diesen AGB unabhängig vom effektiven Lieferort der Anlage bezeichnet war. Das Handelsgericht folgte dieser Ansicht jedoch nicht und trat im September 2013 nicht auf die Klage ein. 

Akt 4: Bundesgericht II

Das konnte nun der Anlagebauer nicht auf sich sitzen lassen und wurde seinerseits in Lausanne vorstellig. Das Bundesgericht machte der Sache nun aber ein Ende und wies die Beschwerde des Anlagebauers ab (Entscheid BGE 140 III 170).

Wie geht es weiter?

Der Anlagebauer hat nebst vielen eigenen Ressourcen wohl über 100'000 Franken in Anwalts- und Gerichtskosten investiert und 2 Jahre verloren, ohne dass sich je ein Gericht inhaltlich mit seiner Forderung befasst hat. Diese wird er nun in Österreich am Sitz der Bestellerin einklagen müssen. Falls er überhaupt noch die Kraft dazu hat: Wer weiss, welche prozessualen Fallen ihm dort drohen? 

WIE WERDEN AGB ZUM VERTRAGSBESTANDTEIL?

AGB werden nur dann Vertragsbestandteil, wenn sie vom Konsens der Vertragsparteien erfasst sind. Es ist dabei nicht notwendig, dass beide Vertragspartner die AGB im Einzelnen kennen oder gelesen haben. Es genügt, wenn sie gültig in den Vertrag übernommen worden sind, z.B. durch:

  • Bezeichnung als Vertragsbestandteil im Vertragsdokument
  • Platzierung auf der Rückseite des Vertragsformulars
  • Anklicken eines «accept-buttons» im e-commerce

Nach dem erwähnten Gerichtsentscheid können AGB auch durch einen Vermerk im Vertrag, dass die AGB auf der Website abrufbar seien, gültig übernommen werden. Das ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen: Wenn die Gegenseite bestreitet, dass die AGB effektiv auf der Website vorhanden waren (und das wird sie in einem Prozess wahrscheinlich tun), trägt der Verwender der AGB dafür die Beweislast. Ob ein solcher Beweis nach mehreren Jahren noch möglich ist?

«BATTLE OF FORMS»

Eine heikle Situation entsteht, wenn beide Parteien ihre eigenen AGB durchsetzen möchten. Das kann vorkommen, wenn die Offerte des Lieferanten und die Auftragsbestätigung des Bestellers auf unterschiedliche AGB verweisen.

Gerichte gehen nicht einheitlich mit einem solchen AGB-Pingpong um. Möglich sind folgende Szenarien:

  • Prinzip des «last shot», d.h. wer zuletzt nicht reagiert, akzeptiert die AGB der anderen Partei.
  • Das Gericht versucht, den wirklichen Willen der Parteien zu ergründen.
  • Das Gericht wendet statt der AGB die gesetzlichen Regeln an.
  • Der Vertrag als Ganzes ist nicht zustande gekommen.

Klar ist lediglich, dass bei einer «battle of forms» keinerlei Rechtssicherheit besteht. Es gibt nur eine Medizin, um aus einer «battle of forms» heil herauszukommen: Die Schlacht muss ausgefochten werden, bis sich beide Parteien einig sind, was gilt. Gelingt das nicht, muss man sich überlegen, auf das Geschäft überhaupt zu verzichten.

WAS TUN, WENN UNGÜNSTIGE GESCHÄFTSBEDINGUNGEN AK[1]ZEPTIERT WORDEN SIND?

Es kommt häufig vor, dass die schwächere oder unsorgfältigere Partei die AGB der Gegenseite akzeptiert und erst später, z.B. im Streitfall, realisiert, welche Konsequenzen dies für sie hat. Es fragt sich, ob es für sie einen rechtlichen Rettungsanker gibt.

Im Geschäftsverkehr ist die Antwort klar: Akzeptiert ist akzeptiert. Einzig Regelungen, welche mit dem abgeschlossenen Geschäft überhaupt nichts zu tun haben, oder völlig unklare Bestimmungen muss man sich allenfalls nicht in vollem Umfang entgegen halten lassen (die sog. Ungewöhnlichkeits- und die Unklarheitsregel). 

Konsumenten können sich hingegen unter Bezugnahme auf Art. 8 UWG gegen AGB-Bestimmungen wehren, welche ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis von vertraglichen Rechten und Pflichten darstellen und gegen Treu und Glauben verstossen. Wer mit Konsumenten geschäftet, muss also damit rechnen, dass für seine Kunden nicht alles, was sie akzeptiert haben, auch gelten muss.

DER EINSATZ VON AGB IM GESCHÄFTSVERKEHR

Korrekt angewandte AGB sind effizient, fördern die Rechtssicherheit und ermöglichen der Geschäftsführung, die rechtlichen Risiken unter Kontrolle zu halten. Dort, wo Verträge nicht im Detail verhandelt werden (müssen), geben AGB die Sicherheit, dass wesentliche Punkte zum eigenen Vorteil geregelt sind.

Im Massengeschäft führt kein Weg an AGB vorbei. Solange sichergestellt ist, dass die AGB gültig in den Vertrag aufgenommen werden, die «battle of forms» vermieden wird und nicht krass einseitig formuliert sind, kann die anwendende Partei sich auf ihre AGB verlassen. Weitergehende Beschränkungen bestehen nur bei Verträgen mit Konsumenten.

Die hier dargestellte Misere des Anlagebauers ist allerdings ein typisches Beispiel dafür, welche Folgen ein unsorgfältiger Umgang mit AGB haben kann. Die Meinung des Verfassers ist klar: AGB haben ihre Berechtigung im Produkt- und Massengeschäft. In Einzelfällen wie z.B. bei Projekten oder Grosseinkäufen muss zwingend ein Vertragsdokument erstellt werden. In dieses Vertragsdokument gehört alles, was für die Parteien wichtig ist. Und das muss gelesen, verstanden und verhandelt werden. Was so unwichtig ist, dass man sich nicht damit beschäftigen will, kann man getrost weglassen. Je nach Branche können allgemeine Bedingungen allenfalls in Nebenbereichen berechtigt sein, z.B. für Verpackung, Montagebedingungen oder Ersatzteillager.

EMPFEHLUNGEN ZUR VERWENDUNG VON AGB

Der korrekte Umgang mit AGB in Verträgen ist keine juristische Wissenschaft. Wenn die folgenden Regeln beachtet werden, werden Sie kaum je zum Akteur eines Dramas wie dem eingangs dargestellten:

1. Auf die AGB wird im Vertragsdokument oder in der Auftragserteilung verwiesen.

2. Die Gegenseite kennt die AGB oder hat zumindest ohne grossen Aufwand nachweisbar die Möglichkeit, sie zu kennen.

3. Die «battle of forms» wird vermieden.

4. Die AGB sind klar, sachgerecht und nicht grob unausgewogen.

Das Vertragsrecht und der Umgang mit AGB sind unsere Kernkompetenz. Wir unterstützen Sie gerne praxisgerecht, rasch und effizient.

epartners Rechtsanwälte AG