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New gTLDs - neue Adressen im Cyberspace

Der epartners IT-Newsletter vom Januar 2012 gibt einen kurzen Überblick über das Anmeldeverfahren für die neuen Generic Top Level Domains (kurz gTLDs) und die mit der Einführung der neuen gTLDs verbundenen Gefahren für die Inhaber von Marken und anderen Kennzeichenrechten.

Die Einführung von neuen Generic Top Level Domains (kurz gTLD) steht kurz bevor. Unternehmen stehen vor der Frage, wie damit umzugehen ist. Sollen beispielsweise eigene Marken oder Firmen als gTLD angemeldet werden? Fest steht, dass mit den neuen gTLDs der Kampf um die besten Plätze im Cyberspace von Neuem beginnt und Unternehmen damit Chancen und Gefahren gegenüberstehen.

Als Top Level Domain («TLD») wird derjenige Teil einer Internetdomain bezeichnet, welcher nach dem letzten Punkt und vor dem ersten Schrägstrich steht (z.B. «.com», «.ch», «.name», «.org»). Derjenige Teil der Domain, welcher direkt vor der Top Level Domain steht (z.B. bei der Domain «epartners.ch» der Begriff «epartners») wird als Second Level Domain bezeichnet. 

Als Generic Top Level Domains («gTLDs») werden Top Level Domains bezeichnet, welche nicht einem Land zugeordnet sind (z.B «.com» oder «.org», nicht aber «.ch» oder «.de»). Heute ist die Anzahl der Generic Top Level Domains begrenzt. Ab dem 12. Januar 2012 haben Unternehmen und Organisationen die Gelegenheit, «eigene» gTLDs anzumelden. Denkbar sind generische Begriffe (z.B. «.law» oder «.car») wie auch spezifische Begriffe, welche beispielsweise Namen, Orte oder Marken wiedergeben (z.B. «.berlin», «.sony» oder «.coke»). Unsere Webadresse könnte also dereinst www.epartners.law lauten. 

Der Domain-Namensraum wird von der Internet Corporation for Assigned Namens and Numbers (kurz ICANN) verwaltet. ICANN ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Kalifornien und diejenige Institution, bei welcher sich Unternehmen und Organisationen um die Aufnahme einer neuen gTLD in den Domain-Namensraum bewerben. Bewerbungen sind in einem klar festgelegten Zeitfenster einzureichen, welches vom 12. Januar 2012 bis zum 12. April 2012 läuft. Ob und wann es danach möglich sein wird, wieder Bewerbungen einzureichen, ist nicht klar. 

Bewerbung um gTLD bringt Pflichten mit sich 

Die Bewerbung um eine gTLD ist nicht mit der Registrierung einer Second Level Domain zu vergleichen. Mit der Bewerbung um eine gTLD bewirbt man sich effektiv darum, als sogenannte Registrierungsstelle («Registry Operator») das Register (sog. «Registry») für die relevante gTLD zu betreiben, d.h. alle technischen und administrativen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich sind, um unter der neuen gTLD Second Level Domains einzutragen und die Datenbank mit den eingetragenen Second Level Domains zu verwalten. Für die Top Level Domain «.ch» beispielsweise wird diese Aufgabe heute von SWITCH wahrgenommen. SWITCH ist eine von den schweizerischen Universitäten getragene Stiftung. 

Entsprechend aufwendig und kostspielig ist das Registrierungsverfahren. Der Bewerber hat eine umfangreiche Dokumentation einzureichen, welche umfassend über die technische, organisatorische und finanzielle Realisierung des Registers Auskunft gibt. Das Anmeldeverfahren ist in mehrere Phasen eingeteilt und dauert im besten Fall ca. 9 Monate. Das Anmeldeverfahren kann bei Vorliegen von Einsprachen oder bei mehreren Bewerbungen für dieselbe gTLD aber auch über 20 Monate dauern. Die Registrierungsgebühr beträgt USD 185'000; insgesamt ist die Registrierung aber mit Kosten von CHF 250'000-500'000 verbunden. Dazu kommen die Kosten für den Betrieb des Registers. Dort sind es nicht so sehr die jährlichen, an ICANN zu bezahlenden Gebühren (mindestens USD 25'000), als vielmehr die Kosten für den administrativen und technischen Betrieb des Registers, welche ins Gewicht fallen.

Anders als dies beispielsweise bei der TLD «.ch» der Fall ist, muss eine neu registrierte gTLD nicht zwingend für die Registrierung von Second Level Domains durch das Publikum offenstehen. Denkbar ist auch, das Register so zu betreiben, dass die Registrierung von Second Level Domains unter der neuen gTLD nur einer abgegrenzten Gemeinschaft offen steht. So könnte zum Beispiel die Domain «.photo» nur Fotografen offenstehen oder die Domain «.law» nur Rechtsanwälten. Weiter ist es möglich, ein Register im Hinblick auf eine MarkengTLD gänzlich geschlossen zu betreiben. In diesem Fall kann nur die Registrierungsstelle Second Level Domains unter der gTLD reservieren. 

Konsequenzen für Inhaber von Kennzeichenrechten 

Es liegt auf der Hand, dass das Konfliktpotential rund um die Registrierung von Domains mit dieser neuen Regelung erheblich zunimmt. So genügt es in Zukunft nicht mehr, eine Domain einfach unter der relevanten geographischen TLD (z.B. «.ch») zu registrieren und vielleicht noch unter der TLD «.com». Vielmehr muss das gesamte Feld der Top Level Domains im Auge behalten werden. Wer sich heute sicher glaubt, weil er über die für ihn wichtigen Domain-Namen verfügt, könnte leicht ins Hintertreffen geraten. Das Rennen um die besten Plätze im Cyberspace geht mit jeder neuen Top Level Domain von Neuem los. Welche TLDs sich jedoch in Zukunft durchsetzen werden, lässt sich heute nicht abschätzen. Es ist gut möglich, dass die in Europa breit genutzten geographischen TLDs an Bedeutung verlieren werden. Entsprechend besteht eine erhöhte Gefahr, dass durch die Anmeldung von gTLDs oder die Registrierung von Second Level Domains unter neuen gTLDs die Rechte Dritter verletzt werden. Aus diesem Grund sieht das von ICANN erlassene Regelwerk verschiedene Verfahren vor, welche die Inhaber von bestehenden Kennzeichenrechten vor Rechtsverletzungen durch neue gTLDs schützen. 

Während des Anmeldeverfahrens haben die Inhaber von Kennzeichenrechten das Recht, sich mittels Einsprachen gegen angemeldete gTLDs, welche direkt ihre Rechte verletzen, zur Wehr zu setzen. 

Weiter haben die neuen Registrierungsstellen nach Inbetriebnahme der neuen gTLDs die Pflicht, es Markeninhabern zu ermöglichen, dass diese ihren Marken entsprechende Second Level Domains während einer sog. «Sunrise Period» vorab registrieren können. Zusätzlich ist die Einführung eines sog. Trademark Clearinghouse vorgesehen, welches als zentrale Datenbank von Marken fungieren und es Markeninhabern erleichtern soll, im Zusammenhang mit den neuen gTLDs ihre Rechte wahrzunehmen. 

Und schliesslich sind verschiedene Rechtsschutzmechanismen vorgesehen, mittels welchen sich Inhaber von Kennzeichenrechten gegen Rechtsverletzungen zur Wehr setzen können. Das sind aber alles Verfahren privater Natur, wie man sie schon von der Uniform Domain-Name Dispute-Resolution Policy (UDRP) her kennt. Auf die staatliche Gerichtsbarkeit haben diese Verfahren keinen Einfluss. Es steht deshalb einem Marken- oder Firmeninhaber immer frei, bei einer Rechtsverletzung durch eine angemeldete gTLD oder eine registrierte Second Level Domain die staatlichen Gerichte anzurufen. 

Was ist zu tun? 

Die Registrierung einer gTLD ist nur dann sinnvoll, wenn mit dem Betrieb des Registers ein Geschäftsziel verfolgt wird; anders sind die hohen Kosten nicht zu rechtfertigen. Es wäre aber verfehlt, das Geschäftsmodell der heute agierenden Registrierungsstellen – d.h. die Vergabe und Administration von Second Level Domains – als einziges mögliches Geschäftsziel zu sehen. Neben der Nutzung einer eigenen gTLD zu Marketingzwecken ist auch denkbar, dass basierend auf neuen gTLDs ganz neue Geschäftsmodelle entwickelt werden können, an welche heute noch nicht gedacht wird. 

Nur zur Wahrung von Rechten ist es hingegen nicht notwendig, sich um eine gTLD zu bewerben. Es ist jedoch zu empfehlen, die eigenen registrierten Marken beim Trademark Clearinghouse zu hinterlegen und so sicherzustellen, dass man bei der Vergabe der Second Level Domains unter neuen gTLDs in den Genuss des Rechts auf Vorabregistrierung kommt. 

Die Informationspflichten der neuen Registrierungsstellen bieten zwar einen gewissen Schutz gegen unbemerkte Rechtsverletzungen durch Dritte. Dieser Schutz besteht allerdings nur bei Second Level Domains, welche exakt gleich wie die eingetragene Marke lauten. Man wird deshalb im Hinblick auf einen Missbrauch der eigenen Marken nicht um eine allgemeine Überwachung herum kommen. Schliesslich sollte man die voraussichtlich Anfang Mai 2012 von ICANN publizierte Liste der angemeldeten gTDLs konsultieren, um zu prüfen, ob eigene Marken nicht bereits durch die neuen gTLDs selber verletzt werden.