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Warnhinweise und Bedienungsanleitung im Maschinenbau

Rechtsanwalt Christoph Isler stellt einen Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts vor, welches über die Kürzung einer Versicherungsleistung nach einem Brand zu befinden hatte. Die Ursache war ein Akku, der in einem Modellflugzeug aufgeladen wurde. Der Gerichtsentscheid behandelt indirekt die Bedeutung von Warnhinweisen und Betriebsanleitung bei der Risikobeurteilung und Risikobeherrschung im Maschinen- und Anlagebau.

Das Zürcher Verwaltungsgericht hatte Versicherungsleistungen nach einem Brandfall zu beurteilen und dabei Überlegungen zu Warnhinweisen und Bedienungsanleitungen angestellt (VB 2012.00410). Diese Überlegungen sind auch im Maschinenbau von Bedeutung. Maschinen müssen sicher sein. Warnhinweise in der Bedienungsanleitung sind das einfachste, aber auch das am wenigsten wirksame Mittel, um Menschen vor Gefahren zu schützen. Die Maschinenrichtlinie schreibt vor, wie mit Gefährdungen umzugehen ist und in welchen Fällen es genügt, mit einem Warnhinweis auf ein Risiko aufmerksam zu machen. 

Der Gerichtsfall 

Beim Aufladen des Akkus eines Segelflugzeuges kam es zu einem Brand, der sich auf ein Wohnhaus ausgeweitet hat. Laut Betriebsanleitung hätte der Modellflugpilot den Akku ausbauen und auf eine feuersichere Unterlage legen oder beim Ladevorgang überwachen müssen. Da er das alles nicht getan hat, kürzte ihm die kantonale Gebäudeversicherung wegen Grobfahrlässigkeit die Leistungen um 20%. Sowohl das Baurekurs- als auch das Verwaltungsgericht erachteten das als rechtmässig. Der (erfahrene) Modellflugpilot hätte die Bedienungsanleitung ernst nehmen und den Akku zum Aufladen aus dem Flugzeug ausbauen müssen. 
Was auf den ersten Blick etwas weltfremd daherkommt (wer liest schon die Bedienungsanleitung einer Batterie und wer nimmt schon einen Akku zum Aufladen aus dem Handy?), macht bei näherer Betrachtung durchaus Sinn. Das Gewicht des Akkus im Verhältnis zu seiner Kapazität ist für den Modellflug ein entscheidender Faktor. Konstruktive Massnahmen im Akku oder im Flugzeug, welche eine Entzündung hätten verhindern können, würden im Effekt das Modell(segel)fliegen mit Elektromotoren verunmöglichen.
Es ist daher kein Fehler des Herstellers, dass er keinen Brandschutz in den Akku integriert hat. Die vorgesehene Funktion und der Einsatzbereich lassen keinen Brandschutz zu. Vom Benutzer eines solchen Akkus darf eine höhere Aufmerksamkeit verlangt werden, so z.B., dass er die Bedienungsanleitung liest und befolgt. 
Das Gerichtsurteil beurteilt weder die Produktesicherheit noch betrifft es Maschinen. Trotzdem enthält es einige Überlegungen, welche auch anzustellen sind, wenn es um die Beurteilung der Maschinensicherheit oder eines Unfallereignisses geht. 

Risikobeherrschung nach der Maschinenrichtlinie 

Die Maschinenverordnung (MaschV; SR 819.14) als Ausführungsverordnung des Produktesicherheitsgesetzes (PrSG; SR 930.11) integriert die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG praktisch vollständig in das schweizerische Recht. Für den Umgang des Konstrukteurs mit potentiellen Gefährdungen, die durch eine Maschine entstehen, ist in Ziff. 1.1.2 des Anhang 1 der Richtlinie ein dreistufiges Verfahren vorgeschrieben: 

  1. 1. Risiken sind primär zu beseitigen (d.h. gar nicht erst entstehen zu lassen) oder zu minimieren.
  2. 2. Ist das nicht möglich (eine Kreissäge enthält nun einmal ein sich drehendes Sägeblatt), sind in der Konstruktion Schutzmassnahmen vorzusehen (Schutzhauben, Geländer, risikovermeidende Steuerungskonfiguration etc.).
  3. 3. Erst wenn es auch mit solchen Massnahmen nicht möglich ist, eine Gefährdung auszuschliessen, darf mit einem Warnhinweis auf dem Gerät und/oder in der Bedienungsanleitung der Benutzer der Maschine vor dem Risiko gewarnt, respektive ihm ein entsprechendes Verhalten vorgeschrieben werden.

Der Maschinenkonstrukteur ist oft damit konfrontiert, dass es wohl Sicherheitsmassnahmen gibt, mit welchen sich ein Risiko beherrschen lässt. Die Massnahmen lassen aber allenfalls die Kosten explodieren und/oder beschränken die Verwendungsmöglichkeit der Maschine stark oder verhindern sogar eine beabsichtigte Funktion. 

Der Entscheid, auf eine an sich mögliche Sicherheitsmassnahme zu verzichten und diese durch Warnhinweise zu ersetzen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben des Maschinenbauers. Ihm stellen sich regelmässig folgende Fragen: 

  • Wie weit darf eine Sicherheitsmassnahme die Funktion und Verwendbarkeit der Maschine einschränken?
  • Dürfen wirtschaftliche Gesichtspunkte einfliessen oder gilt der Grundsatz Sicherheit, koste sie was sie wolle?
  • Welche Personen können mit der Maschine in Kontakt kommen? Von welchem (Fehl-)verhalten muss man ausgehen?

Sicherheit im Verhältnis zu den Kosten und der Funktion der Maschine 

Es ist nicht der Zweck der Produktesicherheitsgesetzgebung, die Menschheit vor jeglichen Gefahren technischer Einrichtungen zu bewahren. Konstruktive Sicherheitsmassnahmen dürfen nicht so weit gehen, dass dadurch die vorgesehene Funktion einer Maschine nicht mehr möglich ist. Beispielsweise ist es nicht zu umgehen, dass ein Bagger Personen gefährdet, wenn er dreht. Mit konstruktiven Massnahmen lässt sich diese Gefährdung nicht eliminieren. Neben sichtoptimierenden Massnahmen muss daher bei Baggern der Warnhinweis Aufenthalt im Schwenkbereich verboten genügen. 

Kosten sind hingegen kein Massstab für den Entscheid über eine sicherheitsrelevante Massnahme. Reale Risiken von Tod und schweren Verletzungen sind wirtschaftlichen Überlegungen nicht zugänglich, auch wenn die Eintretenswahrscheinlichkeit eines Risikos gering ist.

Sicherheit im Verhältnis zu den betroffenen Personen und deren Verhalten 

Maschinen müssen auch dann sicher sein, wenn sie nicht korrekt bedient werden oder Menschen, die mit ihr in Kontakt kommen, nicht so agieren, wie sie sollten. Nach Maschinenrichtlinie muss jede vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung berücksichtigt werden. 

Akkus in einem Modellflugzeug sind nicht gleich zu beurteilen wie Handy-Akkus. Beim Modellfliegen ist von einer relativ kleinen Anwendergruppe auszugehen, die sich bewusst mit Risiken, die beim Aufladen eines Akkus bestehen, auseinandersetzt. Eine solche Gruppe ist sich der Bedeutung von Warnhinweisen eher bewusst als die breite Öffentlichkeit. 

Entsprechende Überlegungen stellt auch der Maschinenkonstrukteur an, wenn er festlegt, welches die vernünftigerweise vorhersehbaren Fehlanwendungen sind. 
Auf Tunnelbohrmaschinen haben Baustellenbesucher nichts verloren, die Umgebung von Fräsautomaten ist nicht von Passanten bevölkert und Verpackungsanlagen werden nicht von Laien bedient. Er kann beispielsweise bei einem Baukran andere Massstäbe an das Verhalten von Personen ansetzen als bei einem Rasenmäher. 

Technische Normen und Risikobeurteilung 

Zahlreiche europäisch harmonisierte technische Normen nehmen dem Konstrukteur die Entscheidung über Sicherheitsmassnahmen ab. Der Hersteller einer nach Norm konstruierten Maschine profitiert von der sog. Konformitätsvermutung, d.h. er muss die Einhaltung der Sicherheitsanforderungen nicht beweisen. Die Beweislast liegt bei der Behörde, welche die Sicherheit einer Maschine in Frage stellt, obwohl sie den Normen entspricht. 

Normen befreien den Maschinenkonstrukteur aber nicht davor, eine spezifische Risikobeurteilung durchzuführen und bewusst über Schutzmassnahmen zu entscheiden. 

Fazit 

Maschinensicherheit ist ein Zusammenspiel von Gefährdungspotential, Verwendung und Funktion der Maschine, technischen Möglichkeiten und menschlichem Verhalten. Es ist im Einzelfall zu beurteilen, was eine Massnahme technisch bewirkt, welche Personengruppen betroffen sind, wie sich diese verhalten und welche Anforderungen an diese gestellt werden können. 

Das vorliegende Urteil des Zürcher Verwaltungsgericht über den brennenden Modellflug-Akku steht für einen mass- und verantwortungsvollen Umgang mit Sicherheitsanforderungen. Es ist zu hoffen, dass Gerichte auch dann, wenn es nicht um Leistungen staatlicher Versicherungen geht, so differenziert urteilen.