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Haftungsklauseln in Informatikverträgen

Aus Lieferantensicht sind Klauseln über die Begrenzung der Haftung zwingend. Wie sich in einem Fall zeigte, den das Schweizerische Bundesgericht zu entscheiden hatte, können Schäden ein Vielfaches des eigentlichen Vertragswertes ausmachen. Weiter wird in Haftungsklauseln häufig zwischen direkten und indirekten Schäden unterschieden. Was darunter verstanden wird, ist unklar. Es ist deshalb wichtig, Haftungsklauseln möglichst genau und auf die Schadenszenarien angepasst zu formulieren. 

Sachverhalt 

Im als "Papageienfall" bekannt gewordenen Bundesgerichtsentscheid (BGE 133 III 257) hat ein Tierhändler einem anderen Tierhändler für CHF 4'600 sechs Papageien verkauft. Die Papageien wurden vor der Auslieferung vom Verkäufer in Quarantäne gehalten. Dennoch war einer der Papageien Träger eines Virus, mit dem er den gesamten Papageienbestand des Käufers ansteckte. Alle Tiere des Käufers starben und es entstand ein Schaden von CHF 2 Mio. 

Bundesgerichtliche Entscheidung im Papageienfall 

Ein Verschulden traf den Verkäufer nicht. Er hatte mit der Quarantäne alles richtig gemacht. Trotzdem musste er am Schluss für den Schaden geradestehen. Der Grund dafür war, dass nach Meinung des Bundesgerichts die Ansteckung und Erkrankung des Papageienbestandes des Käufers einen sog. direkten Schaden darstellt. Und für direkte Schäden haftet der Verkäufer nach den gesetzlichen Bestimmungen des Kaufrechtes auch ohne Verschulden (sog. Kausalhaftung). Das war insofern neu und überraschend, als die herrschende juristische Lehre bis zu diesem Zeitpunkt angenommen hatte, direkte Schäden seien nur Schäden am Kaufgegenstand selber (auch Mangelschäden genannt), während alle Schäden an anderen Gegenständen (auch Mangelfolgeschäden genannt) als indirekte Schäden qualifiziert würden. 

Darauf kommt es nun aber gemäss Bundesgericht nicht mehr an. Auch Mangelfolgeschäden können nun direkte Schäden sein, für welche ohne Verschulden gehaftet wird. Massgebendes Kriterium ist einzig, ob ein Schaden direkt durch die mangelhafte Kaufsache verursacht worden ist oder ob noch andere Schadensursachen hinzugetreten sind. 

Als Beispiel für einen weiteren direkten Schaden erwähnt das Bundesgericht den Wasserschaden an einem Bodenbelag, der durch einen defekten Geschirrspüler verursacht wird. Hingegen liegt nach dem Bundesgericht kein direkter Schaden, sondern nur ein indirekter Schaden vor, wenn das auslaufende Wasser im Stromkreislauf einen Kurzschluss verursacht und dadurch ein Brand entsteht. Hier treten mit dem Kurzschluss und dem Brand weitere Schadensursachen hinzu. 

Der Entscheid ist unter Juristen umstritten. Es wird argumentiert, es sei schwierig voraussehbar, wann ein Schaden direkt verursacht werde und wann etwas als weitere Schadensursache gelte. 

Direkte/indirekte oder unmittelbare/mittelbare Schäden? 

Das Gesetz bezeichnet direkte Schäden als unmittelbare Schäden und indirekte Schäden als mittelbare Schäden. Die Begriffe können synonym verwendet werden. 

Haftungsszenarien bei Informatikleistungen 

Ausgehend von den im Papageienfall entwickelten Kriterien lassen sich zu Informatikschäden die folgenden Aussagen machen: 

Wird die Informatikumgebung oder der Datenbestand des Kunden durch mangelhafte Hard- oder Software beschädigt, sind diese Schäden als direkte Schäden zu qualifizieren. Ein Anwendungsfall wäre zum Beispiel ein Mangel in einer Datenbanksoftware, welcher dazu führt, dass Daten korrumpiert werden. Das Gleiche gilt, wenn mangelhafte Hardwarekomponenten (z.B. der Ausfall eines Kühlsystems oder eines Netzteils) Schäden an anderen Hardwarekomponenten verursachen. Ebenso müsste man Schäden, welche auf eine mangelhafte Virenschutzsoftware zurückzuführen sind, als direkte Schäden bezeichnen. 

Die Kosten, welche durch die Instandsetzung der beschädigten Informatikumgebung entstehen (insbesondere die Beschaffungskosten für Ersatzprodukte, die Projektkosten für die Integration sowie die Kosten für die Datenwiederherstellung) stellen direkte Schäden dar. 

Bei entgangenem Gewinn und Regressforderungen von Kunden, welche aus der Beschädigung einer Informatikumgebung resultieren, handelt es sich dagegen um indirekte Schäden. 

Konsequenzen 

Liegt ein direkter Schaden vor, so wird bei Anwendung der kaufrechtlichen Bestimmungen auch ohne Verschulden des Lieferanten gehaftet. Im Bereich der Informatik ist dies beim Kauf von Hardware oder der Lizenzierung von Standardsoftware der Fall. Hier haftet der Informatikanbieter für direkte Schäden deshalb auch, wenn er den Mangel gar nicht verschuldet hat, weil er das mangelhafte Produkt nicht selber hergestellt, sondern eingekauft hat. 

Im Anwendungsbereich des Werkvertragsrechts sowie generell für indirekte Schäden haftet der Informatikanbieter demgegenüber nur, wenn ihn am Schadenseintritt ein Verschulden trifft. Dieses wird allerdings vom Gesetz vermutet; der Informatikanbieter muss – respektive kann – sich von der Haftung befreien, indem er darlegt, dass er den Schadenseintritt nicht verschuldet hat (sog. Exkulpationsbeweis).

Formulierung von Haftungsklauseln 

Damit hat der Papageienfall Auswirkungen auf die Formulierung von Haftungsklauseln. Es genügt nicht, lediglich die Haftung für indirekte Schäden auszuschliessen. Wie der Papageienfall gezeigt hat, bergen auch direkte Schäden ein riesiges Haftungspotential. Es ist deshalb unter Aufzählung der einzelnen in Frage kommenden Schadenskategorien (z.B. Schäden an Datenbeständen, entgangener Gewinn etc.) zu regeln, welche Haftung dafür übernommen, begrenzt oder ausgeschlossen wird. Dies setzt aber voraus, dass vorgängig eine Auseinandersetzung mit den möglichen Schadenszenarien erfolgt ist. Je nach Produkt und Einsatzbedingungen können ganz unterschiedliche Schäden eintreten. Und schliesslich sind Kunden auch im Informatikbereich immer weniger bereit, den Ausschluss jedes erdenklichen Haftungsszenarios hinzunehmen, wobei ein vollständiger Haftungsausschluss ohnehin gesetzlich nicht zulässig wäre. 

Pro memoria sei erwähnt, dass eine Haftungsklausel so vereinbart werden muss, dass sie sich später nachweisen lässt. Dies ist bei schriftlichen Verträgen der Fall, aber auch bei einem elektronischen Vertragsabschluss, sofern die diesbezüglichen Verfahren beweissicher dokumentiert werden.

Schlussfolgerungen 

Im Zusammenhang mit Haftungsklauseln in Informatikverträgen ist Folgendes zu beachten: 

  • Wie der Papageienfall zeigt, können auch bei geringen Vertragswerten sehr grosse Schäden entstehen. Und unter Umständen wird 
  • wie beim Weiterverkauf von Standardprodukten 
  • sogar ohne Verschulden gehaftet. Informatikanbieter sollten deshalb auf jeden Fall ihre Haftung vertraglich begrenzen. 
  • Haftungsklauseln sind schriftlich oder elektronisch zu vereinbaren. 
  • Die Haftungsklausel ist präzis zu formulieren und sie soll die möglichen Haftungsszenarien berücksichtigen, welche sich aus dem konkreten Produkteeinsatz ergeben können. 
  • Eine Haftungsklausel, welche nur darin besteht, die Haftung für indirekte Schäden auszuschliessen, begrenzt das Risiko ungenügend und sollte nicht mehr verwendet werden.
Urs Egli