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Ohne Preis kein Fleiss - Baustopp bei Zahlungsverzug?

Streiten sich der Bauherr und Unternehmer z.B. über die Vergütung von Zusatzleistungen oder der Bauherr befindet sich in Zahlungsverzug, stellt sich für den Unternehmer oft die Frage, ob und unter welchen Bedingungen er die Arbeiten einstellen darf. Der Beitrag zeigt die vom Unternehmer zu beachtenden Risiken und die zu prüfenden Voraussetzungen, damit der Unternehmer nicht infolge einer unberechtigten Arbeitseinstellung schadenersatzpflichtig wird.

Ist der Bauherr mit Zahlungen im Rückstand oder bestreitet bspw. den Anspruch von Nachtragspreisen, steht der Unternehmer oftmals vor der Frage, ob er seine Arbeitsleistung bis zur Klärung der offenen Fragen bzw. der Bezahlung zurückhalten darf (Arbeitseinstellung). 

Die Arbeitseinstellung kann ein grosses Risiko sein. Weil der Unternehmer vorleistungspflichtig ist, ist sie nur zulässig, wenn eine unbeständige Vorleistungspflicht vorliegt. Stellt der Unternehmer die Arbeit unberechtigt ein, wird er in der Regel schadenersatzpflichtig. 

Einstellung bei mangelhafter Mitwirkung des Bestellers 

Behindert der Besteller die Vertragserfüllung des Unternehmers, indem er z.B. seine Vorbereitungs- oder Mitwirkungshandlungen (termingerechte Planlieferung, Zurverfügungstellung des Baugrundes usw.) nicht erfüllt, kommt er in Verzug. Der Unternehmer darf seine Arbeit unter Berufung auf die "Einrede des nicht erfüllten Vertrages" (Art. 82 OR) einstellen. Er selbst muss jedoch seine vertraglichen Leistungen erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, d.h. eine Frist setzen. Dem steht auch die Norm SIA 118 (Art. 37 Abs. 1) nicht entgegen, die nur die unberechtigte Arbeitseinstellung verbietet. 

Einstellung bei Zahlungsverzug des Bestellers 

Grundsätzlich stehen jedem Gläubiger im Fall des Schuldnerverzugs die Behelfe des OR zur Verfügung (Art. 102 ff. OR). Ist der Besteller in Zahlungsverzug, kann er nach Ablauf der Mahnfrist vom Vertrag zurücktreten. Der Vertragsrücktritt ist jedoch für den Bauunternehmer selten eine zweckmässige Massnahme, da er meist schon lange mit der Arbeitsausführung begonnen hat. Die rückwirkende Vertragsauflösung kommt vielleicht in Frage, wenn der Bauherr schon mit einer vertraglichen Vorauszahlung vor Arbeitsbeginn in Verzug ist. Dem Unternehmer bleibt als realistische Alternative nur die Einstellung der Bauarbeiten. Diese erhöht den Druck auf den Besteller und damit die Bereitschaft, die anstehenden Probleme zu bereinigen. 

Rechtsgrundlage: Einrede des nicht erfüllten Vertrages 

Die Rechtsgrundlage für die Arbeitseinstellung bei Zahlungsverzug ist ebenfalls die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (Art. 82 OR). Der Besteller kann den drohenden Baustopp verhindern, indem er bezahlt oder für die ausstehende Zahlung eine hinreichende Sicherheit leistet. 

Verhältnismässigkeit 

Ein Baustopp muss immer verhältnismässig sein. So ist eine Arbeitseinstellung rechtsmissbräuchlich, wenn die Folgen für den Besteller in keinem Verhältnis zur offenen Werklohnforderung stehen. Massgebend sind die konkreten Verhältnisse. Ein ausgezeichnetes Mittel für die Einschätzung ist immer noch der “gesunde Menschenverstand”. Von einer Arbeitseinstellung ist namentlich dann abzusehen, wenn deren Ziel, nämlich die Zahlung des offenen Werklohnes, auch durch mildere Mittel zu erreichen ist. Zu denken ist beispielsweise an den Einbezug des Bauherrn (bei Subunternehmerverhältnissen) oder die Ankündigung der Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts.

Exkurs: Diesbezüglich rufe ich in Erinnerung, dass das Bauhandwerkerpfandrecht nicht erst nach erbrachter Leistung, sondern bereits mit Abschluss des Werkvertrags im Grundbuch eingetragen werden kann.

Achtung: Vorleistungspflicht des Unternehmers 

Der Werkvertragsunternehmer ist grundsätzlich vorleistungspflichtig. Ohne vertragliche Regelung (z.B. in der SIA Norm 118) hat er nicht einmal Anspruch auf Akontozahlungen. Bezahlt wird dann erst bei der Abnahme resp. Übergabe des Werks (Art. 372 OR)! 

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der vorleistungspflichtige Unternehmer zur Arbeitseinstellung berechtigt ist, wenn er Anspruch auf die Leistung von Akontozahlungen (nach Ausmass od. Zahlungsplan) hat. Es gilt die zwei Fälle der beständigen und unbeständigen Vorleistungspflicht zu unterscheiden. 

Beständige Vorleistungspflicht 

Das klassische Werkvertragskonzept macht die Zahlung des Werklohns von der Erbringung der Werkleistung resp. der Übergabe des Werks abhängig (Art. 372 OR). Verzögert sich die Bauausführung, verzögert sich auch die Fälligkeit der Zahlung. Die Frist zwischen Vor- und Gegenleistung bleibt bestehen. Man spricht deshalb von beständiger Vorleistung. 

Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn für Aushubarbeiten als Zahlungstermin deren Fertigstellung vereinbart wurde und sich die Aushubarbeiten verzögern. Der Bauunternehmer darf die Arbeiten nicht einstellen, wenn der Bauherr die bereits ausgeführten Arbeiten noch nicht bezahlen will. 

Auch für Bestellungsänderungen besteht eine beständige Vorleistungspflicht, wenn der Besteller ein vertragliches Bestellungsänderungsrecht (z.B. über die Norm SIA 118) hat. Der Vertrag über die Bestellungsänderung kommt auch zustande, wenn die Parteien sich noch nicht über den Preis geeinigt haben. Das bedeutet, der Unternehmer darf die Arbeit auch dann nicht einstellen, wenn der Bauherr die Bereinigung längst nachofferierter Leistungen verweigert oder sogar der Meinung ist, es bestehe kein Anspruch auf einen Nachtragspreis. Selbst die Sicherstellung seiner Forderung kann der Unternehmer nur verlangen, sofern diese vereinbart wurde oder in Ausnahmefällen wie der Zahlungsunfähigkeit des Bauherrn (Art. 83 OR). 

Unbeständige Vorleistungspflicht 

Eine Vorleistungspflicht ist unbeständig, wenn z.B. ein Zahlungsplan mit fixen Teilzahlungsterminen vereinbart wurde. Jetzt liegen unterschiedliche Fälligkeitstermine für die Erbringung der Werkleistung und die Bezahlung des Werklohns vor. 

Der Unternehmer hat z.B. die Aushubarbeiten bis am 31. Mai zu 50% fertigzustellen und der Besteller hat per 30. Juni eine Teilzahlung in festgelegter Höhe zu leisten. Die Teilzahlung wird mit Fristablauf fällig, unabhängig davon ob die Aushubarbeiten des Unternehmers termingerecht voranschreiten. Wenn die Fälligkeitstermine eingetreten sind, stehen sich zwei fällige Ansprüche gegenüber (Ausführung Aushubarbeiten, Teilzahlung Werklohn) – der zweite Anspruch wurde vom ersten eingeholt − die jetzt grundsätzlich Zug um Zug auszutauschen sind. Die Vorleistungspflicht des Unternehmers ist untergegangen und er ist jetzt mit Berufung auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages berechtigt, die Arbeit einzustellen. Gleichzeitig muss er die Erfüllung anbieten. 

Grundsätzlich ist dabei unerheblich, wie hoch die nicht geleistete Zahlung des Bestellers ist und/oder ob sie mit der “eingestellten Arbeit” korrespondiert. Die Einstellung ist also auch berechtigt, wenn es sich bei der fraglichen Zahlung um eine Teilzahlung für geleistete Regiearbeiten usw. handelt. 

Bei Nachtragsforderungen ist die Arbeitseinstellung berechtigt, wenn die Nachtragsforderung nach den vertraglichen Vereinbarungen fällig ist. 

In allen Fällen ist jedoch der erwähnte Grundsatz der Verhältnismässigkeit einzuhalten. 

Vertragliches Verbot der Arbeitseinstellung 

Bisweilen enthalten Verträge (z.B. in allgemeinen Bedingungen) das Verbot, die Arbeiten einzustellen. Ein solches Verbot ist – ausser in krassen Fällen - gültig. Vor dem Baustopp muss der Vertrag genau geprüft werden. 

Ausserordentliche Verhältnisse

Kann der Unternehmer beim Vorliegen von ausserordentlichen Umständen, welche die Fertigstellung hindern oder übermässig erschweren, die Arbeit einstellen? Der Unternehmer hat Anspruch auf Anpassung (Mehrvergütung) oder Auflösung des Vertrages, im Fall von ausserordentlichen Verhältnissen (Art. 373 Abs. 2 OR/Art. 59 Norm SIA 118). Solche liegen vor, wenn schwerwiegende, für beide Seiten nicht voraussehbare (Ausnahme-)Verhältnisse bestehen, die ein krasses Missverhältnis zwischen der Leistung des Unternehmers und der Vergütung bewirken. Und zwar so, dass die Erfüllung des Vertrages für den Unternehmer unzumutbar wird. Das Gesetz sieht auch in diesen Fällen keinen Baustopp vor. 

Risiko eines Baustopps 

Der Unternehmer geht ein grosses Risiko ein, wenn er einen Baustopp erklärt. Stellt sich später heraus, dass die Arbeitseinstellung nicht berechtigt war, hat er seinerseits den Vertrag verletzt. Die ursprünglichen Termine bleiben Vertragstermine mit allen Verzugsfolgen und es können den Unternehmer enorme Schadenersatzforderungen treffen. 

Fazit: Arbeitseinstellung – ja oder nein? 

Befindet sich der Unternehmer in der beständigen Vorleistungspflicht, ist die Arbeitseinstellung nicht zulässig. 

Handelt es um eine unbeständige Vorleistungspflicht des Unternehmers (z.B. bei fixem Zahlungsplan und Zahlungsverzug), kommt ein Baustopp in Frage. Diesfalls ist wie folgt vorzugehen: 

1. Prüfen, ob der Vertrag kein Verbot der Arbeitseinstellung enthält. 

2. Sicherstellen, dass die Vorleistungspflicht erloschen ist und die Zahlung auch tatsächlich fällig ist. 

3. Schriftliches Ankündigen der geplanten Arbeitseinstellung (angemessene Frist) und die Erfüllung der Leistungen (gegen Zahlung) anbieten. 

4. Prüfen ob die Arbeitseinstellung im konkreten Fall verhältnismässig ist.